Meldesysteme in der Luftfahrtindustrie

In den USA wurde von der FAA (Federal Aviation Administration) im Jahre 1976 das ASRP (Aviation Safety Reporting Program) eingeführt. Dieses System wurde auf Forderung des US Kongresses aufgrund der Erkenntnis eingerichtet, daß vorhandene Informationen, die einen in Washington erfolgten Flugzeugabsturz hätten verhindern können, mangels eines geeigneten Reportingsystems ungenutzt blieben. Untersuchungen ergaben, daß es statistisch vor jedem Unfall fast 30 alarmierende Vorkommnisse gibt und durchschnittlich 300 Hinweise vorliegen, daß Dinge, die im Vorfeld des Unfalls eine Rolle spielten, nicht in Ordnung sind. Dieses enorme Unfallvermeidungspotential (300-30-1) zu nutzen, ist nun die Grundlage aller Melde- bzw. Reporting-Systeme. All diesen Reporting Systemen liegen Devisen wie „Incidents lead to accidents – reporting incidents prevents accidents“ oder „Share Your Experience“ zugrunde.

In der Europäischen Gesetzgebung der Luftfahrtindustrie schreibt die Verordnung (EG) Nr. 2042/2003 der Kommission vom 20. November 2003 über die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit von Luftfahrzeugen und luftfahrttechnischen Erzeugnissen, Teilen und Ausrüstungen und die Erteilung von Genehmigungen für Organisationen und Personen, die diese Tätigkeiten ausführen (ABl. L 315 vom 28.11.2003 S. 1ff, S. 56) u.a. vor:

„145.A.60 Meldung besonderer Ereignisse
a) Der Betrieb muss die zuständige Behörde, den Eintragungsstaat und den für die Entwicklung des Luftfahrzeugs oder
der Komponente verantwortlichen Betrieb in Kenntnis setzen, wenn er an einem Luftfahrzeug oder an einer Komponente
Vorkommnisse feststellt, die zu einem unsicheren Zustand geführt haben oder führen können, der die Flugsicherheit
ernsthaft gefährdet.
b) Der Betrieb muss ein innerbetriebliches Ereignismeldesystem gemäß den Bestimmungen seines Handbuchs einrichten,
um die Sammlung und Bewertung von Berichten, einschließlich der Einschätzung und Gewinnung von Informationen
über gemäß Buchstabe (a) zu meldende Ereignissen zu ermöglichen. Dieses Meldeverfahren muss ungünstige Entwicklungen
aufzeigen, und es muss ergriffene oder zu ergreifende Abhilfemaßnahmen im Fall von Mängeln und die
Prüfung aller einschlägigen Informationen im Zusammenhang mit solchen Vorkommnissen und ein Verfahren zur
Bekanntgabe der Informationen, wie gegebenenfalls erforderlich.“

Demnach ist ein Feedback/Melde-System an das Management für jeden Luftfahrttechnischen Betrieb einzurichten, wobei die Betriebe jedoch einen sehr weiten Umsetzungsspielraum haben.

Maßgeblich für ein funktionierendes Meldesystem ist, dass dieses unmittelbar in den höchsten Führungsebenen des jeweiligen Betriebes aufgehängt ist. Nur dadurch ist es möglich das System entsprechend wirkungsvoll zu betreiben. Dies setzt jedoch ein hohes Maß an Vertrauen durch das Management in das System bzw. dessen Betreiber voraus und basiert auf dem offenen Umgang mit Fehlern. Des Weiteren ist das Vertrauen der Nutzer in ein solches System unabdingbar und bedarf sehr viel Feingefühl und Pflege durch die Betreiber. Es hat sich gezeigt, dass die Auswahl der Ansprechpartner/Betreiber und deren Bezug zur Nutzergruppe maßgeblich für das Funktionieren des jeweiligen Meldesystems sind.

In der Luftfahrtindustrie ist das Thema „Human Factors“ (Stichwort Dirty Dozen) inzwischen sehr etabliert und spiegelt sich in diesen Meldesystemen wieder, obwohl das Thema „Human Factors“ immer noch von vielen belächelt wird.

Die Luftfahrttechnischen Betriebe setzen in Abhängigkeit ihrer Betriebsgröße, der Strukturierung der Betriebe und ihrer zur Verfügung stehenden internen Kommunikationswege, diese Forderung auf ihre individuelle Weise um.
Bei allen funktionierenden Meldesystemen kommen die Betreiber aus den Reihen der Nutzer, sind im Betrieb präsent und genießen entsprechendes Vertrauen bei den Nutzern. Die Meldewege an die Betreiber müssen leicht zugänglich und schnell sein. Wie die Anonymität der Nutzer gewahrt wird, muss für jeden ersichtlich und leicht nachvollziehbar sein. Alleine die Möglichkeit der Anonymität fördert das Vertrauen, wobei es seitens des Nutzers eher selten die höchste Priorität hat.
Eine kompetente Bewertung und Beurteilung über die gemeldeten Missstände muss gewährleistet sein und kann meist nur über ein Gremium stattfinden. Entsprechende Maßnahmen zur Behebung des Missstandes lassen sich über das Gremium beschließen und müssen von diesem von der verantwortlichen Managementebene eingefordert werden. Um den oben erwähnten Devisen nachzukommen müssen die Ergebnisse flächig kommuniziert werden. Üblicherweise wird dies durch betriebsinterne Publikationen dargestellt. Dadurch erhält auch der anonyme Einsender seine Rückmeldung und alle anderen Mitarbeiter können von diesen Erfahrungen profitieren. Darüber hinaus läst sich durch die flächige Verbreitung der Ergebnisse (interne Veröffentlichung) ein gewisser Nachdruck erzeugen, der einerseits beschleunigend auf die Maßnahmen wirken kann und andererseits die Verantwortlichen zu gehaltvolleren Maßnahmen bewegt.

Auf diese Weise ist der Kreis vom Mitarbeiter/Nutzer zum Management und zurück geschlossen. Beide Seiten profitieren davon und Missstände müssen nicht zu Skandalen werden, indem sie an die breite Öffentlichkeit getragen werden. Maßgeblich ist hierbei, dass ein einmal gemachter Fehler nicht von anderen wiederholt wird, sondern dass aus diesen Erfahrungen andere lernen können und somit einer Wiederholung vorgebeugt wird.

Unser Newsletter

Wollen Sie über Neuigkeiten auf dem Laufenden gehalten werden?

Unterstützen Sie uns!